Ein globales Ökosystem
Das Meer nimmt über sieben Zehntel der Oberfläche der Erde ein - das sind 361 Millionen Quadratkilometer. Obwohl wir die drei großen Ozeane Pazifik, Atlantik und Indischer Ozean unterscheiden (und offiziell auch den Arktischen Ozean und das Südpolarmeer als eigene Ozeane anerkennen), ist das Meer ein zusammenhängendes, riesiges Ökosystem. Die Ozeane sind durch Meeresströmungen verbunden.
Eher müsste man zwischen Oberflächen- und Tiefenwasser unterscheiden, die sich nur in weit kleinerem Ausmaß vermischen. Beim Schnorcheln und Tauchen kann man einen ersten Eindruck der fremdartigen Welt erhalten, die hier verborgen ist. Was den Lebensraum vom Festland unterscheidet, ist Salzwasser:
97 Prozent des Wassers auf der Erde ist Salzwasser, es würde ausreichen, eine glatte Erde rundum mit 2.500 Metern Wasser zu bedecken. Das Meerwasser hat einen Salzgehalt von durchschnittlich 35,3 g Salz pro Liter; das gelöste Salz würde eine 36 Meter hohe Salzschicht rund um die Erde ergeben. Das Salz stammt vom Festland, es wird von der Erosion aus Gestein und anderen Oberflächen herausgelöst und ins Meer gespült. Bei der Verdunstung bleibt es zurück, bis sich im Meerwasser ein Gleichgewicht zwischen ausfallendem und eingebrachten Salz einstellt; das ausfallende Salz bleibt im Sediment des Meeresbodens.
Die enerforschten Tiefen der Ozeane
Da die Erdoberfläche nicht glatt ist, schauen große Teile der Kontinente aus dem Wasser heraus (ein kleiner Teil von ihnen ist unter der Wasseroberfläche verborgen, dieser untergetauchte Rand der Kontinente wird Kontinentalschelf genannt). Die Ozeane sind durchschnittlich 3.730 Meter tief. Ein großer Teil besteht aus 3.000 bis 5.000 Meter tiefen Meeresbecken. Sie werden von der riesigen Gebirgskette der Mittelozeanischen Rücken durchzogen, an der neue ozeanische Kruste aus dem Erdinneren austritt (Plattentektonik), und von den Tiefseegräben an den Subduktionszonen, wo die ozeanische Kruste unter die kontinentale Kruste taucht – diese sind über 6.000 Meter tief, die tiefste Stelle sogar über 11.000 Meter.
Mit dem Festland sind die Meere durch den Wasserkreislauf verbunden. Aus den Meeren verdunsten jedes Jahr 434.000 Kubikkilometer Wasser, von denen netto 36.000 Kubikkilometer als Regen oder Schnee auf dem Festland fallen. Die riesige Wassermenge der Ozeane beeinflusst ebenfalls das Klima auf dem Festland. Wasser speichert Wärme viel besser als Luft, und daher wirken Ozeane temperaturausgleichend:
Ozeanisches Klima ist durch kühle Sommer und milde Winter gekennzeichnet. Das kontinentale Klima im Inneren der Kontinente durch heiße Sommer und strenge Winter.
Außerdem transportieren die Ozeane Wärme:
Durch Winde angetrieben und von der Erddrehung abgelenkt, entstehen kreisförmige Wirbel des Oberflächenwassers (auf der Nordhalbkugel im Uhrzeigersinn, auf der Südhalbkugel andersherum), die warmes Wasser vom Äquator weg und kaltes Wasser zum Äquator hin transportieren. Unter der Oberfläche verborgen gibt es eine weiteres System an Meeresströmen, das globale Förderband: Salzreiches Wasser aus warmen Regionen kühlt im Nordatlantik ab, sinkt in die Tiefe und zirkuliert durch alle drei großen Ozeane. Erst im Pazifik steigt es wieder auf und gelangt über warme Oberflächenströme zurück in den Atlantik. Dieser Meeresstrom übertrifft die Wassermenge aller Flüsse um ein zig-faches, zu diesem System gehört auch der Golfstrom: Ohne ihn wäre das Frühjahr in Paris klimatisch wie auf Neufundland.
Wasser ist für Licht nur beschränkt durchlässig, unter 200 Meter ist es im Ozean fast vollständig dunkel. Die Fotosynthese kann daher nur im oberen Bereich stattfinden. Und dieses beeinflusst auch die Verteilung der anderen Lebewesen. Das Leben hat im Meer begonnen. Die heutige Artenvielfalt der Meere ist aber noch wenig bekannt – neben den einigermaßen erforschten Küstengewässern und den Bereich des flachen Wassers über dem Kontinentalschelf weiß man einiges über die die lichtdurchflutete obere Zone des offenen Ozeans. Die dunklen tieferen Zonen sind aber noch weitgehend unerforscht. Erst seit wenigen Jahrzehnten weiß man, dass sich auch hier artenreiche und hochinteressante Lebensräume finden, etwa an den steil abfallenden Kontinentalhänge, den mittelozeanischen Rücken und in den Tiefseebecken – und sogar in den Tiefseegräben.
Einzigartiges Ökosystem
Ökologisch unterscheidet sich das Meer grundlegend von den Landökosystemen: Während dort die Verteilung der Lebensräumen wesentlich von der Verfügbarkeit von Sonnenenergie und Wasser abhängt (Die Lebensräume des Festlands), sind im Ozean Nährstoffe die entscheidenden Faktoren, vor allem Phosphor und Stickstoff. Daher sind die tropischen Meere größtenteils “blaue Wüsten”. Raue Meere, in denen aufsteigende Meeresströmungen Nährstoffe liefern, dagegen reiche Lebensräume. Den so ganz anderen Lebensbedingungen entsprechen auch Tiere und Pflanzen, die ganz anders sind als die an Land:
Die wichtigsten Pflanzen der Meere sind einzellige Algen, die so klein sind, dass sie mit bloßem Auge unsichtbar sind. Da sie so klein sind, schweben sie im Wasser und nutzen das Licht der oberen Wasserschichten, die von der Sonne beschienen werden. Die Formenvielfalt der Pflanzenwelt im Meer ist ohne Hilfsmittel kaum zu eralhnen; dagegen ist die Tierwelt bereits auf den ersten Blick äußerst arten- und formenreich: Nur in den Ozeanen gibt es zum Beispiel festsitzende Tiere, ermöglicht durch die Strömungen, die ihnen das Futter zutreiben. Manche von ihnen erinnern an Blumen - etwa die Korallenpolypen.
Besonders produktiv sind die flachen Küstengewässer über dem Festlandssockel (auch Schelfmeer genannt): Hier strömt Wasser, das auf dem Festland Minerale aus dem Boden und aus Gesteinen auswaschen konnte, in die Meere; durch Meeresströmungen werden die Nährstoffe in den offenen Ozean getragen. Im flachen Wasser und im oberen Bereich des offenen Ozeans, wo genug Sonnenlicht vorhanden ist, produzieren winzige Meerespflanzen, das Phytoplankton, Jahr für Jahr 20 Milliarden Tonnen Biomasse – dabei nehmen sie mindestens so viel Kohlendioxid auf wie alle Wälder der Erde zusammen.
Von den Pflanzen leben winzige Tiere (das Zooplankton), von diesen wiederum Schwarmfische wie Sardinen und Heringe; und von diesen dann größere Raubfische wie Thunfische, die ihrerseits Beute für Haie sind: Die enorme Produktivität ermöglicht lange Nahrungsketten, und die bewirken die biologische Vielfalt des Meeres. Wo dann noch aufsteigende Meeresströmungen (“upwellings”) Sedimente und damit weitere Mineralstoffe nach oben bringen, entstehen die reichsten Fischgründe; etwa auf dem Kontinentalschelf vor Neufundland, aber auch an den Küsten von Namibia, Mauretanien, Peru und Kalifornien. Die produktivsten Lebensräume des Meeres liegen alle in flachen Gewässern: an der Küste, wie Wattenmeer und Mangrovenwälder, die beide besonders vom Nährstoffreichtum an Flussmündungen profitieren; oder auch auf versunkenen Inseln, wie der artenreichste Lebensraum der Ozeane überhaupt, die tropischen Korallenriffe.